24. April 2013

Zur Pensionierung von Peter Raschle



Am 1. Januar 1983 trat Peter Raschle mit erst 33 Jahren als Oberförster und Chef des Meliorationsamtes in den Dienst des Kantons Appenzell I.Rh. und zog mit seiner Familie von Wil SG nach Appenzell. Sein Berufsleben war geprägt vom stetigen Wandel der Bedürfnisse und von einschneidenden Naturereignissen, wie er im Gespräch schildert. Am 19. April 2013 war sein letzter Arbeitstag.

Schon bei Arbeitsantritt übernahm er eine Hypothek: Anfang November 1982 hatte ein Föhnsturm im Raum Eggerstanden/Eichberg gewaltige Mengen Holz umgefegt. Er musste sich gleich zu Anfang um die Räumung der betroffenen Parzellen kümmern – bei praktisch fehlender Erschliessung.

Oberforstamt - Erster Computer der Verwaltung

Fünf Jahre später forderte ein weiteres Grossereignis den Oberförster heraus. Als er mit seiner Familie von einem Kurzurlaub im Tessin heimkehrte, fand er niedergebundene Stalldächer beidseits der Strasse vor und Ziegelschutt in der Hauptgasse. Erneut hatte ein Föhnsturm gewaltigen Schaden angerichtet, diesmal an den windabgewandten Hängen des Hügelzugs im Westen und Norden des Dorfes Appenzell. Betroffen gewesen seien vor allem die Bezirke Schlatt–Haslen und Gonten mit hohem Anteil an Privatwald, erinnert sich Raschle. Insgesamt habe etwa die zehnfache Jahresnutzung am Boden gelegen, glücklicherweise zu einem Zeitpunkt, da Holz gesucht war. «Wir konnten nicht einfach eine Räumung anordnen, über alle Köpfe hinweg», sagt Raschle. Per Zeitung habe er einen Aufruf an die Privatwaldbesitzer erlassen. Sie sollten jene Flächen markieren, in denen sie selber Ordnung schaffen wollten. Der Rest würde im Auftrag des Oberforstamtes geräumt und verwertet. Das habe gut funktioniert. Drei Forstunternehmen mit schwerem Gerät und Seilbahnen rüsteten das verwertbare Holz im Akkord auf; das meiste ging in den Export Richtung Kärnten. Die Abrechnung habe man schliesslich anhand der Stockmasse und basierend auf Erfahrungswert–Tabellen vorgenommen. Der schwere Zwischenfall läutete in der kantonalen Verwaltung eine neue Ära ein: Das Oberforstamt durfte sich zur Bewirtschaftung der entstehenden Datenflut einen Computer anschaffen. Die Förster seien nämlich mit unendlichen Bürozeiten konfrontiert gewesen, die dadurch entstanden, dass im Wald Stämme gemessen und die Ergebnisse in Büchlein eingetragen wurden. Diese Daten mussten anschliessend im Büro erfasst und in Listen verwandelt werden. Raschle erinnert sich noch an das «Ping», das erklang, als nach wenigen Wochen nichts mehr ging. Die Festplatte mit (damals gigantischen) zwei MB war voll. Heute lacht man darüber.

Meliorationswesen

Auch für den Bereich der Meliorationen ist Peter Raschle verantwortlich gewesen. Selber betreute er den Tiefbau (Güterstrassenbau, Strom- und Wasserversorgung), während sich sein Adjunkt Albert Elmiger, um den Hochbau, die Investitionskreditkasse, die Betriebshilfe und die Wohnbausanierungen zu kümmern hatte. Zahlreiche landwirtschaftliche Liegenschaften im Innerrhoder Streusiedlungsgebiet sind dank der Bemühungen von Peter Raschle in den letzten drei Jahrzehnten neu oder zumindest besser erschlossen worden, mit Wegen, mit Elektrizität und auch mit Wasser. Ein letztes grösseres Projekt war der Neubau der Seilbahn auf die Alp Sigel, der nötig geworden war, nachdem während eines Gewitters im Sommer 2008 das Zugseil der alten Bahn gerissen und die Kabine mit den leeren Milchkannen abgestürzt war.

Kartierung, Vernetzung und GIS

Das Vermessungswesen war ebenfalls eine der vielen Aufgaben von Peter Raschle. Die Erneuerung der amtlichen Vermessung AV93, wie der Bund sie 1993 vorgab, konnte inzwischen erfolgreich abgeschlossen werden. Allerdings habe das Ganze einen Pferdefuss, sagt Peter Raschle: Der Bund schreibt vor, dass das ganze Vermessungswerk alle sechs Jahre komplett nachgeführt werden muss. Erste Ideen dazu seien geboren; wahrscheinlich werde jedes Jahr ein Bezirk überarbeitet und dadurch der Aufwand planbar. Es sei eine gute Entscheidung gewesen, sich in Sachen Geoinformationssystem (GIS) St. Gallen und Ausserrhoden anzuschliessen, stellt Raschle fest. Die Zusammenführung aller Daten mit jenen der amtlichen Vermessung habe zu einem vielfältig nutzbaren Instrument geführt, das die Aufgaben der Verwaltung massiv erleichtert. Das Geoportal im Internet wird auch von Privaten intensiv genutzt.

Immer mehr Aufgaben

Im Lauf seiner Karriere habe er immer mehr Aufgaben zugewiesen erhalten, die eigentlich vom Bund generiert wurden. Als Beispiel sei die Fachstelle für Natur– und Landschaftsschutz genannt, die 1989 als Ergebnis der Rothenturminitiative geschaffen werden musste. Binnen drei Jahren hätte man über das ganze Kantonsgebiet sämtliche Schutz– und Pufferzonen parzellengenau ausweisen sollen. Heute sei man nun auf dem aktuellen Stand, habe Flächenblätter, Karten und Verträge über immerhin 420 Hektar Land, hinterlegt in einer Datenbank. Die Ansprüche des Bundes seien aber derart hoch, dass ein Kleinkanton in personeller und in finanzieller Hinsicht kaum mehr mithalten könne.
Peter Raschle fiel anfänglich auch die Fachstelle für wirtschaftliche Landesversorgung zu. Über diese erhielt er Zugang zum kantonalen Führungsstab, dem er seit 2001 als Stabschef vorstand. Ursprünglich sei jedes Amt mit einer Person im übergrossen Gremium vertreten gewesen. Er habe dies geändert: Ein nur noch vierköpfiger Kernstab trifft im Ernstfall erste Entscheidungen, fachspezifische Spezialisten werden nach Bedarf beigezogen. Das sei effizienter dank kurzer Entscheidungswege, sagt Raschle, der auf drei Ereignisse zurückblickt, welche vom Führungsstab kontrolliert wurden: Hungerstreik im Asylzentrum, Gasexplosion am Blattenrain und jüngst - im Dezember 2012 - die Schweineseuche PRRS.
In den 90er–Jahren löste eine Studie Departementsreformen aus, die Peter Raschle die Funktion des Departementssekretärs in den Schoss warf. In den Anfängen sei das so nebenbei zu bewältigen gewesen. In jüngster Zeit aber hätten die Aufgaben explosionsartig zugenommen.

Staunen über eigenes Durchhalten

Im Rückblick staune er über sich selber, weil er dreissig Jahre lang durchgehalten habe, sagt Peter Raschle. Das «Immer mehr» habe die Aufgabe eben auch spannend gemacht. Und er habe fast durchwegs auf langjährige und kompetente Mitarbeiter zählen dürfen. Nur so sei es möglich gewesen, auch grössere Aufgaben zu delegieren, ohne alles zu hinterfragen und dauernd Ergebnisse einfordern zu müssen.

Angemerkt sei, dass Peter Raschle auch eine stramme militärische Karriere hinlegte. Bei Arbeitsantritt war er bereits Kompaniekommandant im Range eines Hauptmanns. Er wurde in den Bataillonsstab berufen und zum Major befördert. Angesichts seiner Position im kantonalen Führungsstab habe man ihm aber kein Kommando übertragen, ihn stattdessen zuerst in den Divisionsstab der Mech Div 11, dann in den Stab des Ter Kreis 45 eingeteilt. Im Range eines Obersten gehörte er schliesslich dem Führungsstab der Armee an. Bis zum Ausscheiden aus der Wehrpflicht im Jahr 2010 sei er in verschiedenen Funktionen tätig gewesen, meist an der Schnittstelle zwischen Armeeaufgaben und zivilen Bereichen. Festhalten werde er fortan einzig an seiner Funktion als eidgenössischer Schiessoffizier.
Dass bei so vielen Aufgabenbereichen nur für wenige Hobbies Raum blieb, versteht sich fast von selbst. Peter Raschle ist langjähriges Mitglied des Männerchors Harmonie Appenzell, und er frönt im St. Gallischen, wo er an einem Revier beteiligt ist, der Jagd. Auch als Opa hat er bereits erste Erfahrungen gesammelt.

Per 1. April 2013 konnte Peter Raschle die Leitung des Oberforstamtes und des Meliorationsamtes an seinen langjährigen Adjunkten Albert Elmiger übergeben, die Leitung des Departementssekretariates und des Vermessungsamtes an den bisherigen Landwirtschaftssekretär Bruno Inauen. Die Fachstelle für Natur- und Landschaftsschutz hat bereits ab dem 1. März 2013 die zum Land- und Forstwirtschaftsdepartement gestossene Agronomin Lisa Beutler übernommen.

Der 19. April 2013 war der letzte Arbeitstag von Peter Raschle. Wir danken ihm für seine Arbeit als Chef eines kleinen, leistungsfähigen Teams. Er hat von seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern immer viel gefordert, aber gleichzeitig auch viel Freiraum gelassen zu entscheiden, wie die gestellten Forderungen erreicht werden sollten. Wir wünschen Peter Raschle und seiner Frau Franziska alles Gute im wohlverdienten Ruhestand.

Rolf Rechsteiner, Chefredaktor des Appenzeller Volksfreundes
(teils gekürzt und teils ergänzt von Albert Elmiger)